Die Geschichte von dem Baum, der alles miterlebte

(The times, they are changin')

Als der Samen in die Erde des fürstlichen Waldes fiel, entstand ein neues Bewußtsein, wie das halt so üblich ist, wenn ein neuer Baum entsteht. Es war ein Bewußtsein voller Verständnis und Willenskraft, weswegen sich auch schon früh ein Pflänzchen aus dem Erdreich erhob und sich der Sonne entgegenreckte. Dieser Baum gewann den Kampf um das Licht mit seinen gleichaltrigen Brüdern und er breitete sich auch, und dachte sich: „Schade, daß man töten muß, um zu überleben", und er wußte, daß früher oder später irgend jemand ihn töten würde, um zu überleben und wurde traurig. Als aber die Sonne wieder hinter den Wolken hervorkam, und die Vögel mit aller Kraft zwitscherten, da verflog seine Traurigkeit, denn er erfreute sich an seiner Umgebung.

Und er wuchs und wuchs, und als er anfing öfter zu denken und mit den Tieren des Waldes zu reden, da fragten diese ihn nach seinem Namen; er aber wußte nichts zu antworten. Also merkte er, daß es Zeit wurde, sich einen Namen für sich zu überlegen, und nach einem Tag voller Zögern entschied er sich für den Namen Borkur und er lächelte, denn er fand seinen Namen schön. Von nun an konnte er allen Tieren des Waldes sagen, wie er hieß; Borkur, und das machte ihn glücklich.

Borkur wuchs weiter und bald war er eine stattliche Tanne von 30 Jahren. Und er reckte sich und lächelte, denn es war schön sich von der Sonne wärmen zu lassen, und sich zu räkeln, und seine Brüder im Winde rauschen zu hören.

Doch irgendwann befiel ihn Trauer, denn er sah wieder, wie seine Brüder ihr grünes Kleid färbten, und schließlich wegwarfen, denn der Winter kam, und er stand ganz allein da, denn die nächste Tanne war weit weg.

Als nun der Schnee kam, da stapfte ein lustiges Tier durch den Wald, es ging auf zwei Beinen und sah aus wie ein Eichhörnchen, das sich aufstellt. Und es zog einen langen Ast von seiner Schulter und sprach:

„Hier bin ich nun, im Wald des Fürstes, und bitte um deinen Stamm, denn meine Kinder sind traurig, da sie noch nie einen Weihnachtsbaum hatten und deswegen bin ich hier."

Aber Borkur sprach: „Was ist denn Weihnachten, komisches Tier", denn er wußte nicht was das für Tiere waren, die einen Baum für Weihnachten brauchten. Und der Mann sprach :

„Das ist der Geburtstag unseres Herrn Jesu Christ" und er beugte das Knie, „der auf die Welt kam, um uns zu erretten von der Sünde".

„Wie alt wird denn euer Herr Jesu Christ?"

„Ach", seufzte der Mann, „er wurde vor langer Zeit getötet, aber er kam in den Himmel, wo er heute noch ist, und auf die Welt hinabschaut, und alles sieht, was wir tun."

„Dann will ich Dir helfen", antwortete Borkur.

Das Tier bedankte sich, und holte mit seinem Ast aus, und schlug gegen Borkurs Stamm und es tat weh, aber Borkur dachte „wenn der Herr sieht, daß wir seinen Geburtstag feiern, wird er sich sicherlich freuen.", obwohl er noch nie etwas von diesem Herrn gehört hatte und Borkur hielt still.

Als aber ein mächtiger Hieb des Tieres kam, da stürzte Borkur, und das Tier nahm ihn mit zu seiner Hütte. Und es war ein weiter Weg und Borkur kam weiter, als er von den Rehen hatte reden hören. Und da legte der Mensch Borkur hin und trennte seinen Kopf ab und stellte ihn in die Hütte, den Rest aber gab er einem anderen, der Borkur zerstückelte und aus ihm ein Bett machte.

Borkur aber starb nicht, die Magie fing seinen Geist ein und steckte sein Bewußtsein in das Bett, das aus ihm entstanden war.

Und Borkur wurde verkauft und verschenkt und weitergegeben, und viele Menschen schliefen in ihm und er hörte alles was sie sagten und wußte alles was sie träumten und fürchtete alles was sie fürchteten. Und seine Besitzer zogen um, und Borkur fühlte sich zu Hause und er wußte, daß er an der Stelle war, wo er vor langer Zeit seine Wurzeln gehabt hatte.

Doch dann kam der große Krieg. Ein Lichtblitz nach dem anderen blendete Borkur, und das Haus um ihn zerbrach, und die Menschen darin starben, wie auch sonst noch viele auf der Welt. Und mit der Zeit verrottete Borkur und er drang von neuem in die Erde seiner Geburt ein. Und wie es der Zufall so wollte, wuchs gerade da ein neuer Baum aus dem Boden und nahm Borkur in sich auf.

Und der neue Baum, Belfam, wuchs und gedieh und nach einiger Zeit sahen Borkur und Belfam, dem Borkur alles, was er erlebt hatte, erzählte, wieder Menschen.

Aber es waren keine normalen Menschen, denn sie bauten Hütten, wie sie Borkur schon lange nicht mehr gesehen hatte. Aus Holz und Lehm waren sie gemacht, nicht aus grauem, flüssigem Stein und Stahl, und die Menschen redeten wie zur Zeit seines Todes und seiner Wiedergeburt in dem Bett.

Und es kamen kleine Menschen, die sich Zwerge nannten, und die dick waren und ernst und Gänge in den Fels hauten. Und es kamen kleine Menschen, die waren dünn und sie waren lustig, wie übermütige Kinder, und sie machten manchen Scherz mit den anderen. Und es kamen auch noch andere Menschen vorbei, de waren groß und dürr und hatten spitze Ohren und sie nannten sich Elfen, aber sie und die kleinen dünnen Menschen, die sich Hobbit nannten waren die einzigen, die wieder mit den Bäumen reden konnten. Und als die Zeit verging, sahen Borkur und Belfam auch andere Dinge:

Trolle, Drachen und mythische Wesen bevölkerten wieder die Erde und es freute Borkur und Belfam, denn sie waren Teil der Welt.

Und als sich an seinem Stamm vorbei ein Weg gebildet hatte und ein Nachtlager und ein Feuerplatz aus einer Lichtung ihm gegenüber wurde (dank der Elfen wurde kein Baum gefällt, da diese glaubten, ihr Geist ginge nach ihrem Abschied von der Welt in einen Baum über), da begann er, immer wenn jemand dort rastete, von den Menschen, wie er sie kannte, zu erzählen, und vom Herrn Jesu Christ und vom großen Krieg. Und immer mehr kamen und lauschten und die Elfen wirkten mächtige Magie, denn sie wußten die Macht wieder anzuwenden, und das freute Borkur, denn ihre Macht war klar und rein, und durch die Magie hörten Borkur und Belfam auf zu altern und wuchsen nur noch. Und die Menschen erzählten sich überall von einem der sieben Bäume, die noch die alte Welt kannten und immer mehr kamen und lauschten und das war gut so.

Und Borkur freute sich, denn es war schön. Und als er fragte, wie denn die anderen sechs seiner Brüder und Schwestern hießen, da rief einer unter den Leuten : „Burran, Chettol, Drandra, Rents, Werbon und Ancorron", und Borkur freue sich, denn es war schön zu wissen, daß er Brüdern und Schwestern hatte.

Und als er wußte, wie seine Geschwister hießen, da flog sein Herz hoch und frei, denn die Welt war wieder erwacht, zu altem Glanz auferstanden, und er hatte Brüder und Schwestern, mit denen er sich darüber freuen konnte, und das war gut so.

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